Der Lichtschutzfaktor (LSF) ist sicher. Verbraucherinnen und Verbraucher können sich auf die Angaben auf den Produktverpackungen von Sonnenschutzmitteln verlassen und sich vor den schädlichen Auswirkungen von UV-Strahlung des Sonnenlichts schützen. Neue Testmethoden führen dennoch zu Unsicherheiten. Im Interview erläutert Dr. Myriam Sohn, was die neuen Standards sind, welche Prüfverfahren zu bevorzugen sind, welche Auswirkungen sie haben.
Dr. Myriam Sohn promovierte 2015 in Pharmazeutischen Wissenschaften an der Universität Basel, ist Expertin für Lichtschutz und sammelte Erfahrungen in der Oberflächenmetrologie und Raman- Mikrospektroskopie. Ihr Schwerpunkt liegt auf Photoprotektion und der Wirkung von UV-Filtern. Zurzeit ist sie IP-Managerin für Sun Care, fungiert als Hauptwissenschaftlerin und vertritt BASF im Deutschen Institut für Normung (DIN) sowie im ISO/TC217 WG7 (Methoden zum Sonnenschutz). Kürzlich hat sie ebenfalls die Leitung der Fachgruppe Sonnenschutz der Deutschen Gesellschaft für Wissenschaftliche und Angewandte Kosmetik (DGK) übernommen, wo sie ihre Expertise im Bereich Sonnenschutz einbringt.
haut.de: Warum gibt es jetzt mehrere ISO-Methoden, um den Lichtschutzfaktor zu bestimmen?
Dr. Myriam Sohn: Zuerst ist es wichtig, sich daran zu erinnern, dass Kosmetikhersteller immer den Lichtschutzfaktor (LSF) im Labor prüfen, bevor ein Produkt mit Sonnenschutz auf den Markt kommt. Der dort ermittelte LSF entspricht der Schutzwirkung des jeweiligen Produkts gegen Sonnenbrand auf der Haut.
Bisher wurden die Werte des LSF mit einer In-vivo-Methode (ISO 24444:2019) bestimmt. Dieser Test, genannt Standard, findet auf der menschlichen Haut statt und erfordert die Bildung eines Erythems, also eines Sonnenbrands, was als invasiv gilt.
Um die mit einem Sonnenbrand einhergehenden Nachteile für die Probanden zu vermeiden, haben alle Stakeholder intensiv daran gearbeitet, alternative Methoden zum aktuellen Standard zu entwickeln. Ende 2024 wurden nach langer Forschung zwei neue Methoden veröffentlicht, die gegenüber dem bisherigen Standard ISO 24444:2019 validiert wurden:
> Eine In-vitro-Methode (ISO 23675:2024), die nicht an menschlichen Probanden durchgeführt wird, verwendet Kunststoffplatten als Substrat – sprich als Basismaterial, auf welches der Sonnenschutz aufgebracht wird. Dies ermöglicht es, auch Forschungsmuster zu testen.
> Eine hybride Methode, die auf eine Kombination von nicht invasiven In-vivo- und In-vitro-Messungen basiert (ISO 23698:2024) erzeugt kein Erythem, wodurch sie nicht invasiv ist, während sie dennoch auf menschlicher Haut getestet wird.
haut.de: Ist es egal, mit welcher Methode gemessen wird? Was bedeutet das für die Verbraucherin oder den Verbraucher?
Dr. Myriam Sohn: Eine grundlegende Voraussetzung für die Akzeptanz der neuen, alternativen Testmethoden war, dass die Vorhersage des LSF mit den Ergebnissen des bisherigen In-vivo-Standards (ISO 24444:2019) übereinstimmt.
In der Theorie wird dies erfüllt und die Anwendung derselben Methode oder zweier Methoden sollte zu identischen Werten führen. Alle Methoden sind anerkannt und gleichwertig. Doch in der Praxis können Schwankungen auftreten. Das bedeutet, dass es vorkommen kann, dass eine wiederholte Untersuchung eines bereits auf dem Markt befindlichen Produkts mit einer anderen Testmethode zu abweichenden Ergebnissen führt – mit einem höheren oder einem niedrigeren Wert. Trotz aller bisherigen Anstrengungen zur Standardisierung der Methoden können solche Fälle passieren.
Wichtig ist: Jeder LSF, der auf einer Verpackung steht, wurde mittels einer validierten Methode im Labor gemessen. Die Verbraucherinnen und Verbraucher können sich auf die LSF-Angaben auf der Verpackung von Sonnenschutzmitteln verlassen.
haut.de: Es gibt jetzt drei Methoden, was ist der Standard?
Dr. Myriam Sohn: Alle drei Test-Methoden sind als Standard anerkannt und gleichwertig. Daher hat der Kosmetikhersteller die Freiheit zu wählen, welche Methode er für die Tests verwenden möchte.
Die Europäische Kommission empfiehlt grundsätzlich, zur Bestimmung des LSF die beiden 2024 validierten Testmethoden zu verwenden, da sie keine ethischen Bedenken aufwerfen. Eine verpflichtende Vorschrift ergibt sich daraus jedoch nicht. Kosmetikhersteller haben die Freiheit zu wählen, welche der drei anerkannten Testmethoden sie verwenden möchten.
Fest steht: Egal, mit welcher Methode geprüft wurde, der LSF ist sicher und es ist an den Verbraucherinnen und Verbrauchern den Sonnenschutz in ausreichender Menge auf ihrer Haut aufzutragen und regelmäßig nachzucremen.
Herzlichen Dank für das Gespräch!