Seit August 2023 gibt es eine neue Verordnung der Europäischen Kommission zur Kennzeichnung von Duftstoffen in kosmetischen Produkten. Für mehr als 80 Parfüminhaltsstoffe gilt nun, dass sie in der Liste der Bestandteile aufgeführt werden müssen, sollte ihre Konzentration in einem kosmetischen
Dr. Steffen Schubert vom IVDK (Informationsverbund Dermatologischer Kliniken) erklärt die Hintergründe zur neuen Verordnung.
haut.de: Herr Dr. Schubert, warum gibt es eine neue Verordnung der Europäischen Kommission zur Kennzeichnung von Duftstoffen in kosmetischen Produkten?
Dr. Steffen Schubert: Die neue Verordnung der Europäischen Kommission zur Kennzeichnung von Duftstoffen in kosmetischen Produkten zielt darauf ab, Verbraucherinnen und Verbraucher noch besser über die Zusammensetzung von Kosmetikprodukten zu informieren. Das ermöglicht es ihnen, fundierte Kaufentscheidungen zu treffen. Dabei umfasst die Verordnung nicht nur Duftstoffe, sondern auch Duftstoff-haltige Naturstoffe, wie ätherische Öle und einzelne Pflanzeninhaltsstoffe. Diese Substanzen werden oft unter dem Begriff „Duftstoffe“ zusammengefasst. Die Kennzeichnung der Duftstoffe auf den Kosmetika unterstützt sensibilisierte Personen, die bereits wissen, dass sie allergisch gegen bestimmte Duftstoffe sind. Erkennen sie auf einem Produkt den entsprechenden Allergie-auslösenden Stoff, können sie diesen meiden. Man spricht hierbei auch vom Warnungscharakter der Kennzeichnung. Das ist wichtig, da die lebenslange Meidung der Allergene für die Betroffenen die einzige Möglichkeit ist, symptomfrei zu bleiben.
haut.de: Bisher waren es 24, jetzt sind es mehr als 80 Parfüminhaltsstoffe, die in der Liste der Bestandteile eines kosmetischen Produkts aufgeführt werden müssen. Verwenden die Kosmetikhersteller mehr Allergene in Kosmetik als früher?
Dr. Steffen Schubert: Nein, die Zusammensetzung der Produkte bleibt davon unberührt. Das Ziel der Verordnung ist, die Anwesenheit bestimmter Parfüminhaltsstoffe in kosmetischen Produkten anzuzeigen, wenn ihre Konzentration bestimmte, vom Gesetzgeber festgelegte Schwellenwerte überschreitet. Diese Schwellenwerte sind so angesetzt, dass sie bei Verbraucherinnen und Verbrauchern mit bekannten Kontaktallergien allergische Reaktionen auslösen könnten. Die Änderung der Verordnung geht dabei auf eine Empfehlung des unabhängigen wissenschaftlichen Ausschusses für Verbrauchersicherheit der EU-Kommission SCCS (Scientific Committee on Consumer Safety) zurück. Das SCCS hat diese Duftstoffe zur Deklaration vorgeschlagen, da sie bei Menschen bereits Kontaktallergien ausgelöst haben und bis dato aber nicht individuell gekennzeichnet werden mussten. Die Erhöhung der Anzahl der Parfüminhaltsstoffe, die jetzt aufzuführen sind, auf über 80 ist daher keine Folge davon, dass die Hersteller mehr Allergene in Kosmetik verwenden. Es ist vielmehr eine Folge der Erweiterung der Liste der Substanzen, die bei bestimmten Konzentrationen angezeigt werden müssen.
haut.de: Wie profitieren Verbraucherinnen und Verbraucher von der neuen Kennzeichnungspflicht?
Dr. Steffen Schubert: Bisher profitieren Verbraucherinnen und Verbraucher nur eingeschränkt von der neuen Kennzeichnungspflicht. Denn die meisten der nun in der Deklarationspflicht eingeschlossenen Duftstoffe stehen Allergologen nicht als Testzubereitungen zur Verfügung. Dies bedeutet, dass der Großteil der Personen mit Kontaktallergien, die womöglich bereits auf diese Duftstoffe sensibilisiert sind, überhaupt nicht wissen können, dass sie allergisch reagieren. Hinzu kommt: Durch die Vielzahl der nun zu deklarierenden Stoffe können Allergene, die in den Allergiepässen der Betroffenen verzeichnet sind, in den Produktinformationen leicht untergehen. Das kann es für Allergiker schwieriger machen, eine für sie passende Kaufentscheidung zu treffen.
haut.de: Für die Kennzeichnung der mehr als 80 Duftstoffe gibt es Übergangsfristen und bis Juli 2028 können Produkte, die den neuen Anforderungen zur Kennzeichnung noch nicht entsprechen, weiter in den Regalen der Märkte stehen. Was bedeutet das für Allergiker?
Dr. Steffen Schubert: Die Übergangsfrist für die Erweiterung der Kennzeichnungspflicht kann für Personen mit Kontaktallergien in Einzelfällen problematisch sein, speziell für diejenigen, bei denen bereits Kontaktallergien gegen diese nun zu deklarierenden Duftstoffe diagnostiziert wurden. Ein Beispiel ist Ylang-Ylang-Öl, ein Naturstoff, der von Allergologen seit 2010 bei nahezu jeder Patientin und jedem Patienten mit Verdacht auf eine Kontaktallergie getestet wird. Ungefähr 2 % der getesteten Patienten reagieren darauf mit einer positiven Reaktion. In der Übergangsphase können sich diese Betroffenen jedoch nicht sicher sein, ob das zu meidende Allergen – Ylang-Ylang-Öl, übrigens unter der INCI-Bezeichnung „Cananga Odorata Flower Extract“ oder „-Oil“, bereits deklariert ist oder nicht. Ein weiteres Problem wird dabei auch offensichtlich: Die von den Ärzten verwendeten und in die Allergiepässe eingetragenen Bezeichnungen der Stoffe entsprechen nicht immer genau den Stoffbezeichnungen auf Kosmetikprodukten. Hier könnten digitale Smartphone-Apps eine große Unterstützung für die Betroffenen sein. Eine solche App könnte zum Beispiel nach dem Einscannen eines Bar- oder QR-Codes die Betroffenen bereits beim Einkauf über das Vorhandensein „ihrer“ Allergene informieren bzw. warnen. Das gibt den Betroffenen Sicherheit und unterstützt sie dabei, unerwünschte Reaktionen zu vermeiden. Stoffe, auf die Personen mit einer Kreuzreaktion reagieren könnten, sollten in einer solchen App ebenfalls berücksichtigt werden.
Hinweis:
Die COSMILE-App bietet insbesondere für das individuelle Management von Allergien eine spezielle Funktion: https://cosmileeurope.eu/de/app/
Über die Filterfunktion in der App besteht die Möglichkeit, individuelle Kontaktallergene zu hinterlegen. Enthält ein Kosmetikprodukt eines der hinterlegten Kontaktallergene, wird bei einem Produktcheck dieser Stoff zusammen mit einem roten Ausrufezeichen als Warnung angezeigt.