Experten geben Rat: Kosmetische Produkte – Allergie-Management ist möglich

Interview mit Dr. Silvia Pleschka, Dipl. Chemikerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin des Deutschen Allergie- und Asthmabundes e.V.

Experten geben Rat: Kosmetische Produkte – Allergie-Management ist möglich

Frau Pleschka ist beim DAAB zuständig für den Bereich Kontaktallergien sowie für die gesundheitliche Bewertung von Schadstoffen und Allergenen in Konsumartikeln und in der Innenraumluft. Zu ihren Tätigkeitsschwerpunkten gehören auch Verbraucherberatungen und Fachexpertisen zum Thema Allergien und Unverträglichkeiten auf Kosmetikinhaltsstoffe und Waschmittel.

haut.de: Frau Dr. Pleschka, wo sehen Sie im gesamten Lebensumfeld von Menschen Risiken für allergische Erkrankungen?

Dr. Pleschka: Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass es die Allergiker als eine einheitliche Patientengruppe in dem Sinne nicht gibt. Es sind immer individuelle Dispositionen und unterschiedliche Auslöser, die einen Menschen empfindlich machen, dafür besteht meist eine genetische Veranlagung. Die Reaktionen, mit denen empfindliche Menschen auf unterschiedliche, an sich harmlose Stoffe wie Baum- oder Graspollen, Lebensmittel, Tierhaare oder Inhaltsstoffe in Kosmetika ansprechen, reichen von Irritationen der Haut oder der Atemwege, über Unverträglichkeiten bis hin zur Allergie oder Asthma. Wichtig ist, dass nicht jede Hautreaktion ein Indiz für eine Allergie ist, es kann sich bei Menschen mit empfindlicher Haut auch um eine Hautreizung handeln. Diese Unterscheidung ist wichtig. Bei einer Irritation ist die Konzentration des reizenden Stoffes entscheidend, bei einer Allergie reichen bereits geringe Mengen des Auslösers, um eine Hautreaktion zu provozieren. Bei dieser Reaktion ist auch das Immunsystem beteiligt. Ein Blick auf die zur Verfügung stehenden Statistiken verdeutlicht, dass Pollenallergien, Lebensmittelallergien, Kontaktallergien, sowie Allergien auf Milbenkot, Schimmelpilzsporen oder Beduftungen zu den häufigsten Beschwerdeauslösern gehören. Die Symptome sind unterschiedlich, bei Kontaktallergien reagiert die Haut, bei Pollenallergien, Tierhaarallergien oder Hausstaubmittelallergien kann es ein Schnupfen, Entzündung der Schleimhäute oder Asthma sein. Um den Ursachen auf den Grund zu kommen, ist eine differenzierte Diagnostik durch den Facharzt erforderlich. Denn nur dann kann der Betroffene die Verschlechterung der Symptome verhindern und den befürchteten Etagenwechsel der Erkrankung, also zum Beispiel vom Heuschnupfen zum Asthma, vermeiden.

Da generell viele Faktoren bei der Entstehung von Allergien eine Rolle spielen wie beispielsweise die genetische Prädisposition durch Eltern, und viele Faktoren nicht gänzlich erforscht sind, ist eine Bewertung der Risiken für allergische Erkrankungen nicht möglich. Ein gesunder Lebensstil, mit Verzicht auf Rauchen bzw. Passivrauchen, kann als Primärprävention der Allergien angesehen werden.

haut.de: Wie bedeutsam ist nach Ihrer Einschätzung das allergische Potenzial im Zusammenhang mit Produkten der Schönheitspflege?

Dr. Pleschka: Darüber kann man keine genaue Aussagen machen. Wenn man bedenkt, wie oft und wie viel Körperpflegeprodukte im Alltag benutzt werden, sind die Meldungen über Probleme mit Kosmetika eher selten. Ursache könnte auch sein, dass Verbraucher, die ein bestimmtes Produkt nicht vertragen, es einfach wegwerfen ohne Rückmeldung an den Apotheker, Händler oder Hersteller. Für alle Menschen, die sensibel sind oder eine empfindliche Haut haben, ist eine größere Obacht im Umgang mit kosmetischen Produkten ratsam. Genau von dieser Verbrauchergruppe gehen zahlreiche Beratungsanfragen bei uns ein, denn aufgrund der ärztlichen Diagnostik wollen diese Patienten wissen, welche Produkte sie noch bedenkenlos verwenden können. Das Problem liegt darin, dass die im Allergie-Pass eingetragenen Inhaltsstoffe, die als Allergieauslöser in Frage kommen, nicht immer den Inhaltsangaben auf den Produkten entsprechen und schwer zu identifizieren sind. Zu den häufigsten Auslösern einer Kontaktallergie gehören Duft- und Konservierungsstoffe. Wobei bei den Duftstoffen nicht nur synthetische Substanzen, sondern auch natürliche Inhaltsstoffe allergieauslösendes Potenzial haben können. Eine gute Alternative bieten Produkte ohne Duft- und Konservierungsstoffe. Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang, dass Produkte, die frei von Konservierungsstoffen sind, das Risiko bergen, dass sie schnell verderben können. Die entstehenden Keime können auch zur Irritationen und Erkrankungen der Haut führen.

An dieser Stelle möchte ich betonen, dass gute Hautpflege wichtig ist und die Entstehung einer Hauterkrankung minimieren kann. Ein Verzicht auf Körperpflegemittel kann zu spröder oder rissiger Haut führen.

haut.de: Für kosmetische Produkte müssen ja durch die Hersteller Sicherheitsbewertungen vorgenommen werden, im Sinne der gesundheitlichen Unbedenklichkeit. Welche Bedeutung haben diese Maßnahmen für Allergiker?

Dr. Pleschka: Die vorgeschriebene Sicherheitsbewertung für jedes einzelne Produkt und auch die Verträglichkeitsprüfungen halte ich für enorm wichtig. Allerdings weckt z.B. der Hinweis, dass ein Produkt „dermatologisch getestet“ oder „überprüft“ wurde, beim Verbraucher die Erwartung, dass dieses Produkt besonders gut verträglich ist. Für Menschen mit empfindlicher Haut und der Neigung zu allergischen Reaktionen besteht immer das Risiko einer Hautreaktion, wenn das Produkt die entsprechend individuellen, also „ihre“ Auslöser enthält. Hier ist es wichtig, dass die Allergiker sich auf Auslobungen über besondere Verträglichkeit nicht verlassen, sondern die Liste der Inhaltsstoffe überprüfen. Die wichtigste Information für Kontaktallergiker ist die Deklaration der Inhaltsstoffe auf dem Kosmetikum.

haut.de: Sind die Maßnahmen seitens der Kosmetikindustrie nach Ihrer Auffassung im Sinne der Verbraucheraufklärung zur Allergievermeidung ausreichend?

Antwort: Mit der Deklaration der Inhaltsstoffe auf Basis der INCI-Bezeichnungen auf den Produktverpackungen ist eine nachvollziehbare und gute Transparenz gegeben. Die ist auch sehr wichtig. Allerdings scheitern diese wertvollen Informationen oftmals im Alltag. Das beginnt zum Beispiel damit, dass diese Liste der Inhaltsstoffe auf den Produkten nur mit „Lupe“ zu entziffern ist. Das macht den Einkauf für Allergiker nicht gerade zum Vergnügen, sondern eher zur Belastung. Darüber hinaus sind die INCI-Bezeichnungen“ nicht für jedermann verständlich. Die wissenschaftlichen Begriffe führen sogar eher zu Verwechslungen.

Für Verbraucher ist es häufig nicht ersichtlich, wenn Hersteller die Rezeptur von Produkten ändern, dies wird nur in wenigen Fällen auf den Verpackungen deutlich gemacht. Daher muss der Allergiker auch beim erneuten Kauf des gleichen Produktes immer wieder die INCI-Deklaration überprüfen, ob hier die Stoffe enthalten sind, auf die er allergisch reagiert.

Einen besonderen Handlungsbedarf im Sinne der Verbraucheraufklärung sehe ich in der Beratungskompetenz des Verkaufspersonals, also sowohl in der Apotheke, der Drogerie oder auch im Kosmetik-Fachgeschäft. Auf spezielle Fragen von Allergikern zu Inhaltsstoffen, sowohl synthetischen als auch natürlichen, können oft keine befriedigenden Antworten gegeben werden. Besonders wertvoll ist die Datenbank zu Inhaltsstoffen von kosmetischen Mitteln, die INCI-Datenbank. Sie gibt detailliert Auskunft über Inhaltsstoffe und hilft somit bei der Kaufentscheidung von Kosmetika.

Zusätzliche Hilfe speziell für Kontaktallergiker bietet hier eine Broschüre, die der DAAB gemeinsam mit dem Bundesministerium für Verbraucherschutz (BMELV) und dem Industrieverband Körperpflege- und Waschmittel e.V. (IKW) zur Verfügung stellt. Sie ist eine Übersetzung der Fachbegriffe aus dem Allergiepass in die Bezeichnungen, die auf den Kosmetika verwendet werden.

haut.de: Was raten Sie Menschen, die auf bestimmte Inhaltsstoffe von kosmetischen Produkten mit allergischen Symptomen reagieren?

Dr. Pleschka: Die ärztliche Diagnostik ist der erste Schritt zum Erkennen der Allergieauslöser, um zu erfahren, auf welche Stoffe die Haut reagiert. Wenn man weiß, welche Substanz man nicht verträgt, ist eine sorgfältige Überprüfung der Deklarationsliste des Produktes vor dem Kauf notwendig. Wer neue kosmetische Produkte probieren möchte, sollte ihre Verträglichkeit behutsam testen. Bei Körperpflegemitteln zum Beispiel eine kleine Menge in der Armbeuge auftragen. Diese Probe in der Armbeuge ist aber nicht für Haarfärbemittel geeignet.

Ein Leben mit Allergie kann mit einem gewissen Maß an Management gut organisiert werden. Denn der Markt bietet eine große Auswahl von verschiedenen Produkten, die auch ohne bestimmte allergieauslösende Stoffe auskommen. Betroffene Allergiker können sich auch gerne an Experten des Deutschen Allergie- und Asthmabundes wenden. Sind Kinder und Jugendliche von Allergien betroffen, so sind Eltern besonders gefordert.

Im Zusammenwirken mit dem Arzt, also dem Allergologen oder Dermatologen, ist es wichtig, sich genau erklären zu lassen, ob der diagnostizierte Allergieauslöser noch unter anderen Begriffen bekannt ist. Beispielsweise ist die Testsubstanz Chlorcresol unter der Bezeichnung p-Chloro-m-Cresol auf einem Kosmetikum genannt, in anderen Produkten kann sie auch als Parachlormetacresol oder 4-Chloro-3-methylphenol bezeichnet werden. Hierbei handelt es sich um einen Konservierungsstoff, der nicht nur in Lotionen, Haarpflegeprodukten oder Deos eingesetzt wird, sondern auch in Lacken, Klebern, Färbemitteln oder medizinischen Salben zum Einsatz kommt. Das bedeutet, ein Inhaltsstoff, der in Kosmetika verwendet wird, kann dem sensibilisierten Verbraucher auch in anderen Alltagsprodukten begegnen. Hier ist umfassende Aufklärung und Verbraucherinformation nach wie vor unzureichend. Das Finden von verträglichen Alternativen gleicht dann oft einer Detektivarbeit.)

Weitere Informationen: daab – Deutscher Allergie- und Asthmabund e.V.
Email: info@daab.de
Internet: www.daab.de
Broschüre: Bewusster-Leben-mit Kontaktallergien
INCI-Datenbank: www.haut.de/service/inci

Quelle: haut.de

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