Experten geben Rat: Ärztliche Versorgung für Allergiker unzureichend

Interview mit Andrea Wallrafen, Bundesgeschäftsführerin Deutscher Allergie- und Asthmabund (DAAB)

Experten geben Rat: Ärztliche Versorgung für Allergiker unzureichend

Aktion „Vergiss mein nicht“ vom DAAB

Andrea Wallrafen, Bundesgeschäftsführerin Deutscher Allergie- und Asthmabund (DAAB)
Der Deutsche Allergie- und Asthmabund e.V. (DAAB) ist ein Patientenverband für Kinder und Erwachsene mit Allergien, Asthma, COPD und Neurodermitis mit einer langen Tradition – seit 1897 aktiv als Interessenvertretung der Betroffenen. Über 30.000 Anfragen pro Jahr erreichen die DAAB-Experten. Nachgefragt werden Informationen rund um die Krankheitsbilder und Therapie aber auch konkrete Empfehlungen, die das Leben mit chronischen Krankheiten erleichtern und einen beschwerdefreien Alltag ermöglichen.

http://www.daab.de/aktionsprogramm/

haut.de: Frau Wallrafen, der DAAB kann auf ein großes Erfahrungswissen für den gesamten Bereich der Allergien zurückgreifen. Wie stellt sich die aktuelle Situation dar. Gibt es erhöhte Erkrankungsraten und in welchen Allergiearten?

Frau Wallrafen: Allergologische Experten weisen europaweit auf eine stetige Zunahme der allergischen Erkrankungen in den letzten Jahrzehnten hin. Inzwischen leiden 20 bis 30 Prozent der Einwohner in Deutschland an mindestens einer allergischen Erkrankung. Es gibt nicht die Allergie oder den Allergiker, sondern eine Vielzahl unterschiedlicher Auslöser und Krankheitsformen. Eine allergische Reaktion kann zum Beispiel die Atemwege, die Haut oder den Magen-Darm-Trakt betreffen. Häufige Auslöser sind Pollen, Milben, Nahrungsmittel, Tierhaare, Dufstoffe und Schimmelpilze.

haut.de: Wie ist Ihre derzeitige Einschätzung zu allergischen Beschwerden auf Inhaltsstoffe kosmetischer Produkte? Wie viele Menschen leiden in Deutschland unter allergischen Reaktionen auf kosmetische Mittel?

Frau Wallrafen: Bei Kontaktallergie gehen die Schätzungen der Experten von einem Bevölkerungsanteil in Deutschland zwischen 5 und 10 Prozent aus. Aus unserer Beratungspraxis wissen wir, dass eine Vielzahl der Betroffenen ihre Hautbeschwerden in Zusammenhang mit kosmetischen Produkten nicht durch eine Diagnose abklären lassen und daher muss man von einer deutlich größeren Dunkelzahl der Betroffenen ausgehen. Häufig werden Kosmetika, auf die man mit einer Hautunverträglichkeit reagiert, einfach weggeworfen, ohne der Ursache nachzugehen. Problematisch ist, dass damit die Suche nach einem verträglichen Produkt dem Zufall überlassen wird. Im Fall einer Kontaktallergie auf einen Inhaltsstoff, sollte der Verbraucher bzw. die Verbraucherin diesen Allergieauslöser konsequent meiden.

haut.de: Welche Allergene sind nach Ihrer Einschätzung die häufigsten Auslösefaktoren im Bereich kosmetischer Produkte?

Frau Wallrafen: Zu den häufigsten Auslösern einer Kontaktallergie in Verbindung mit Kosmetika gehören Duftstoffe, bestimmte Konservierungsstoffe und manche Haarfarbstoffe.

haut.de: Ist die INCI-Datenbank, die auf haut.de zur Verfügung steht, ein hilfreiches Informationswerkzeug für Allergiker?

Frau Wallrafen: Ja, hier finden interessierte Verbraucherinnen und Verbraucher wichtige Informationen zu den Inhaltsstoffen der kosmetischen Produkte. Auch Allergiker finden hier entsprechende Hinweise auf die allergieauslösende Wirkung bestimmter Stoffe wie etwa bei den deklarationspflichtigen Duftstoffen. Allerdings wird bei dem Hinweis zu den Schwellenkonzentrationen für das Auslösen eines Kontaktekzems der individuellen Empfindlichkeit der Betroffenen nicht Rechnung getragen. Die Allergologen empfehlen hier eine strikte Karenz, d.h. das Meiden des Allergieauslösers.

haut.de: Wie stellt sich die ärztliche Versorgung für Allergiker dar? (Dermatologen/Allergologen)? Wie kann die Versorgungssituation nach Ihrer Einschätzung verbessert werden?

Frau Wallrafen: Der Deutsche Allergie- und Asthmabund betrachtet die derzeitige Versorgungssituation der Allergiker, Asthmatiker und Neurodermitiker mit großer Sorge. Auf der einen Seite gibt es seit Jahren alarmierende Meldungen zu steigenden Zahlen der Erkrankungen bei Erwachsenen und insbesondere bei Kindern, auf der anderen Seite aber sinkt die Zahl der entsprechend spezialisierten Ärzte. Gegenwärtig haben nur noch 1,5% der Ärzte in Deutschland eine allergologische Zusatzqualifikation. Dies führt zu langen Wartezeiten auf Behandlungstermine, schleppender Diagnostik und einer gefährlichen Unterversorgung der betroffenen kleinen und großen Patienten. Um diesem Missstand zu begegnen, bedarf es einer Vielzahl von Maßnahmen, die nicht nur ein Umdenken in der Ausbildung der Ärzte, sondern auch ein Umdenken in der Gesellschaft bewirken müssen. Mit der aktuellen Unterschriftenaktion „Vergiss-mein-nicht“ stellt der DAAB die problematische Situation der Allergiker, Asthmatiker und Neurodermitiker in den Fokus und fordert ein weitreichendes Aktionsprogramm Allergien. Unterstützen Sie uns dabei!

Quelle: haut.de

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