Experten geben Rat: Körperpflege und Hygiene – Bestandteil der Gesundheit?

Interview mit Dr. Josef Kahl, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin

Experten geben Rat: Körperpflege und Hygiene – Bestandteil der Gesundheit?

Herr Dr. Josef Kahl ist Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin und Kinderkardiologe. Als Mitglied des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) engagiert er sich seit Jahren sowohl auf der Verbandsebene als auch gesundheitspolitischer Ebene für die Prävention und frühzeitige Vorsorge und plädiert aufgrund seiner langjährigen Erfahrungen für die Realisierung einer vorausschauenden Beratung für Kinder, Jugendliche und ihre Eltern.

Über Untersuchungen und Behandlungen hinaus führen Kinder- und Jugendärzte jährlich knapp 6 Millionen Früherkennungsuntersuchungen durch (bekannt aus U-Untersuchungen oder J-Untersuchungen). Die notwendige Systematisierung und Umsetzung einer vorausschauenden Beratung durch Kinderärzte wird derzeit im Rahmen des Präventionsgesetzes (Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention, PrävG) erörtert. haut.de fragt den Experten Dr. Kahl, inwieweit Themen der Körperpflege, der individuellen Hygiene sowie der Mund-und Zahnpflege aus ärztlicher Sicht handlungsrelevant sind.

haut.de: Herr Dr. Kahl, welche Bedeutung haben Maßnahmen der Körperpflege sowie der Mund-und Zahnpflege aus Sicht eines Kinder- und Jugendarztes für die Gesundheit, für gesundes Aufwachsen?

Dr. Kahl: Hygiene, also vor allem die gezielte Körperpflege und hier ist sowohl an die Hautpflege, die Haarpflege, die Nagelpflege, die Intimpflege, aber eben auch an die Mund – Zahnpflege zu denken, hat eine besondere Bedeutung. Denn die entsprechenden Maßnahmen dienen der Erhaltung von Gesundheit, schaffen eine Grundlage für gesundes Aufwachsen, weil zum Beispiel durch Keime ausgelöste Erkrankungen gemindert werden können.

Sicher hat Körperpflege, die eher im dekorativen Bereich angesiedelt ist, dabei denke ich zum Beispiel an Lippenpflege oder auch an Phänomene des Körpergeruchs, aus ärztlicher Sicht etwas Positives im Sinne von „Wohlfühlen“, von Steigerung der eigenen Wertschätzung, der Entwicklung von Persönlichkeit. In der kinderärztlichen Praxis steht allerdings im Zusammenhang mit Körperpflege eher das Handlungsfeld Hygiene.

haut.de: Welche konkreten Folgen kann die Vernachlässigung von Körperpflege und Hygiene bei Kindern und Jugendlichen haben?

Dr. Kahl: Zunächst kann, allgemein betrachtet, eine vernachlässigte Körperpflege, die mitunter durch ungepflegte Haare, unsaubere Haut oder Gerüche auffällt, ein wichtiger Hinweis auf weitere Vernachlässigungen sein, denen wir dann aus ärztlicher Sicht nachgehen, also die Eltern-Kind-Interaktion beobachten und wichtige Themen wie Ernährung, Bewegung, Unfallrisiken anlassbezogen ansprechen.

Konkreter Handlungsbedarf ergibt sich in der ärztlichen Praxis eigentlich vor allem im altersspezifischen Blickwinkel auf den Patienten, dazu ein paar Beispiele:

Kleinkinder, vor allem diejenigen die gesüßte Getränke in der Nuckelflasche bekommen, weisen schon recht deutliche Spuren von Karies auf. Neben der Beratung zur Ernährung mit ungesüßten Getränken ist hier der Hinweis zur notwendigen Zahnpflege, schon beim ersten Zahn, dringend erforderlich.

Werden uns kleine Kinder vorgestellt, die sich mit ihren scharfkantigen Fingernägeln kleine Kratzwunden zugefügt haben, nehmen wir dies zum Anlass, über Nagel- und Hautpflege zu sprechen und geben entsprechend praktische Tipps.

Kinder, bei denen die Kopfhaut aufgekratzt ist, weil juckender Schorf das Kind plagt, machen es erforderlich, die Eltern auf milde, schonende Haarpflege hinzuweisen, um weitere Hautschädigungen zu vermeiden. Oft ergibt sich der Beratungsbedarf auch, wenn wir Hautauffälligkeiten im Windelbereich erkennen. Im Kindergarten- und Schulalter wird häufig über die Hygienemaßnahme „Hände-Waschen“ gesprochen, denn dadurch kann die Übertragung von Krankheitserregern recht gut gemindert werden. Regelmäßig werden wir auch mit dem leidigen Thema „Kopfläuse“ konfrontiert, – natürlich neben der Akutbehandlung auch eine Gelegenheit über Haarpflege zu sprechen.

Bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen ergibt sich oft das Thema Akne, das ist aber in der Regel nicht unbedingt durch Vernachlässigung verursacht. Anders ist das dann wiederrum bei Piercings, die bei „schlechter Pflege“ zu Entzündungen führen oder bei Tattoos, die eine allergische Reaktion auslösen.

haut.de: Inwieweit sind Körper- und Zahnpflege Themen bei den kinderärztlichen und jugendärztlichen Vorsorgeuntersuchungen?

Dr. Kahl: Körper- und Zahnpflegethemen sind eigentlich bei allen Früherkennungsuntersuchungen im Fokus des Arztes. Allerdings nicht so sehr im Sinne diagnostischer Parameter, die systematisch und altersbezogen, je nach Entwicklungsphase untersucht werden, sondern eher als umfangreiches Beratungsfeld. So sprechen wir zum Beispiel darüber, dass ein tägliches Bad des Säuglings in Wasser ohne Zusatzstoffe und mit der anschließenden milden Hautpflege, dem Säugling nicht schadet. Auch über die Notwendigkeit von Fluorid oder Vitamin-D wird gesprochen. Wir thematisieren in den Vorsorgeuntersuchungen aber auch ein „spielerisches Zähneputzen“, ein „stressfreies Haare waschen“, das ist sowohl für Kind und Eltern durchaus eine heikle Angelegenheit. Die umfassende Beratung zum Sonnenschutz und damit zur Vermeidung von Hautschädigungen, Augenschädigungen und Sonnenbrand gehört schon seit Jahren zum Standardrepertoire der Kinderärzte.

haut.de: Was empfehlen Sie Eltern, um im Rahmen der familiären Erziehung für eine „gute“ (eigenständige) Körperpflege und Mundhygiene der Kinder zu sorgen?

Dr. Kahl: Kinder kommen mit einer faszinierenden Neugierde zur Welt. Sie sind offen für fast alles und wollen die Welt entdecken. Auf diesen Entdeckungsreisen erleben Kinder auch ihre eigene Körperlichkeit und damit eben auch den notwendig sorgsamen Umgang mit den einzelnen Bestandteilen, sei es die Haut, das Haar, der Mund und die Zähne. Dabei sollten Eltern nicht vergessen, dass Kinder sich am Vorbild orientieren. Wer Zahnpflege predigt, sollte diese auch selbst praktizieren. Dieses Vorbildprinzip gilt auch für andere Bereiche der Körperpflege, für das Händewaschen ebenso wie für die Fußpflege oder den Sonnenschutz. Gezielte Körperpflege verhilft zu gesundem Selbstbewusstsein und zu Individualität, zu Wohlfühlen. Das „Kindswohl“ in diesem Sinne, ist das Anliegen von Kinder- und Jugendärzten, deshalb wird die vorausschauende Beratung, je nach Entwicklungsphase und Lebensumfeld eines Kindes fester Bestandteil der kinderärztlichen Früherkennung bleiben.

haut.de: Herzlichen Dank für das Gespräch!

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Quelle: haut.de

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