Experten geben Rat: Beim Sonnenschutz sind individuelle Faktoren zu beachten!

Interview mit Frau Prof. Dr. rer. nat. Ulrike Heinrich, wissenschaftliche Direktorin von DermaTronnier (Institut an der Universität Witten/Herdecke)

Experten geben Rat: Beim Sonnenschutz sind individuelle Faktoren zu beachten!

Zum Schutz vor Hautschädigungen durch Sonnenstrahlen, also sowohl dem Sonnenbrand als auch den Langzeitschäden wie Hautkrebs, wird Verbrauchern der Einsatz von Sonnenschutzmitteln empfohlen. Bei den meisten Menschen ist diese Empfehlung akzeptiert und die Verwendung wird größtenteils auch beherzigt. Die wichtigste Anforderung an Sonnenmittel ist, dass sie die angegebene Wirkung erfüllen. Die Wirksamkeit von Sonnenschutzmitteln bezieht sich dabei auf den Schutz vor UVA- und UVB-Strahlung.

Interview mit Frau Prof. Dr. rer. nat. Ulrike Heinrich, wissenschaftliche Direktorin von DermaTronnier (eigenständiges Institut an der Universität Witten/Herdecke im Bereich experimentelle Dermatologie).
Frau Prof. Ulrike Heinrich ist die wissenschaftliche Direktorin des Institutes. Die Diplombiologin hat sich für experimentelle Dermatologie habilitiert und ist als Professorin an der Universität Witten/Herdecke tätig. Weltweit ist sie regelmäßig bei wissenschaftlichen Kongressen präsent und hält vielbeachtete Fachvorträge.

haut.de: Frau Professor Heinrich, wie wichtig ist nach Ihrer Auffassung der Sonnenschutz? Wie wichtig ist es Sonnenbrand zu verhindern?

Prof. Heinrich: Sonnenschutz ist absolut wichtig! Und das sowohl zur Vermeidung von Akutschäden, wie dem Sonnenbrand, als auch zur Vermeidung von Langzeitschäden, wie frühzeitiger Hautalterung und Hautkrebserkrankungen. Diese beiden Präventions-Ziele gegen die UV-Strahlung der Sonne sind für jede Altersgruppe von großer Bedeutung. Sie gelten für das Kleinkindalter, das Schulkindalter ebenso wie für Jugendliche, Erwachsene und Senioren. Insbesondere für Säuglinge gilt: Bis zum Alter von 12 Monaten jede direkte Sonnenstrahlung zu vermeiden.
Viele Verbraucher bedenken beim Thema Sonnenschutz nicht, dass es eine so genannte Streustrahlung des Sonnenlichtes gibt. Schädliche UV-Strahlen sind nicht nur im direkten Sonnenlicht anzutreffen, sondern auch in halbschattigen Bereichen.

haut.de: Vor dem Hintergrund Ihrer wissenschaftlichen Experimente zu Sonnenschutzpräparaten kennen Sie die Inhaltsstoffe von Sonnencreme und Sonnenmilch sehr gut. Gibt es aus Ihrer Sicht kritische Inhaltsstoffe?

Prof. Heinrich: Generell kann man aus wissenschaftlicher Betrachtung sagen, dass alle im üblichen Handel vorhandenen Sonnenschutzmittel von Markenherstellern sicher und unbedenklich sind. Die eingesetzten kombinierten Lichtschutzfilter, die UVA- und UVB-Strahlung absorbieren, funktionieren: sie vermeiden das Eindringen von Strahlen in die Haut und zwar durch Absorption, Reflexion oder Streuung bestimmter UV-Strahlen.
Diese generelle Einschätzung möchte ich allerdings relativieren: Für einige via Internet angebotene Sonnenschutzprodukte, die zum Teil eben auch „Marken-Imitationen“ sein können, scheint eine gewisse Skepsis hinsichtlich der Sicherheit von Inhaltsstoffen und damit der Wirksamkeit angebracht.

Bei der Anwendung von Sonnenschutzmitteln und damit der gesundheitlichen Unbedenklichkeit sind individuelle Faktoren zu berücksichtigen, die vom Verbraucher beachtet werden sollten.
So verfügen einige Präparate ja nicht nur über die notwendigen UV-Filter, sondern auch über Zusatzkomponenten, zum Beispiel aus dem Bereich der Naturstoffe und der Duftstoffe. Bei parfümierten Sonnenschutzmitteln kann es dann im Einzelfall zu Unverträglichkeiten, so genannten phototoxischen Reaktionen kommen. Diese zeigen sich mal an Pigmentflecken oder auch an allergischen Symptomen wie Rötungen und Juckreiz. Manche Duftstoffe, vor allem die auf Basis ätherischer Öle, können die Haut lichtempfindlicher machen und dann zu Pigmentstörungen führen.
Ein Potential zur Bildung von phototoxischen Reaktionen bei der Anwendung von Sonnenschutzmitteln besteht auch bei der Kombination mit manchen Arzneimitteln, zum Beispiel Antibiotika oder auch Johanniskrautpräparaten. Verbraucher sollten sich dazu in der Apotheke und beim Arzt beraten lassen.

Zu Inhaltstoffen von Sonnenschutzmitteln gab es vor einiger Zeit noch eine kritische Diskussion von „anti-entzündlichen“ Komponenten. Es bestand die Befürchtung, dass diese Stoffe bei der Anwendung dieser Präparate die ersten Anzeichen eines Sonnenbrandes – die alarmierende „Hautrötung“ – unterbinden könnten, betroffene Personen also zu spät das „Sonnenbad“ beenden.
Diese Befürchtung konnte aber durch entsprechende Studien nicht bestätigt werden. Aus wissenschaftlicher Sicht scheint es sinnvoll, dass entzündungshemmende Inhaltsstoffe, wie zum Beispiel BISABOLOL oder PANTHENOL, in After-Sun-Produkten sehr gute Dienste tun; in Sonnenschutzmitteln sind sie nicht zwingend erforderlich, beeinträchtigen die tatsächliche Schutzwirkung keineswegs. Gleichwohl gilt der Rat für die Verbraucher: Sobald sich erste Anzeichen für einen Sonnenbrand ankündigen – Rötung oder spannendes Hautgefühl – sollte der Aufenthalt im Sonnenschein beendet werden.

haut.de: Bei vielen Verbrauchern ist die Notwendigkeit, sich gegen die schädigende Wirkung von Sonnenstrahlen zu schützen, mittlerweile bekannt und akzeptiert. Können die Verbraucher die Schutzleistung von Sonnenschutzmitteln auch richtig einschätzen oder neigen sie dazu, die Schutzleistung zu überschätzen und dadurch Hautschädigungen zu riskieren?

Prof. Heinrich: Ich nehme wahr, dass die Erkenntnis zum notwendigen Sonnenschutz zunehmend bei Verbrauchern ankommt und akzeptiert wird – das ist gut so. Allerdings sehe ich noch weiteren Aufklärungsbedarf für die Anwendungspraxis von Sonnenschutzmitteln. Dabei geht es um die Fragen: Wie oft muss nachgecremt werden? Wann verliert auch ein „wasserfester“ Sonnenschutz durch Schwimmen, Schwitzen oder Duschen seine Wirkung? Werde ich durch die Anwendung eines Sonnenschutzmittels mit hohem LSF (Lichtschutzfaktor) weniger braun?

In den Sommermonaten, wenn die UV-Strahlung der Sonne sehr intensiv ist und man sich längere Zeit in der Sonne aufhält, ist der Einsatz eines Sonnenschutzmittels mit hohem LSF ratsam – insbesondere für das Gesicht, das Dekolleté und die Kopfhaut mit lichtem oder keinem Kopfhaar.
Was allerdings von Verbrauchern oft völlig unterschätzt wird, ist die notwendige Menge des Sonnenschutzmittels, um die Schutzwirkung auch erzielen zu können.
Die Wirksamkeit von Sonnenschutzprodukten wird unter streng standardisierten Bedingungen ermittelt. Der heute auf den Verpackungen von Sonnenschutzmitteln genannte Lichtschutzfaktor wird nach einer international einheitlichen Methode bestimmt und in diesen Verfahren wird von einer „Applikationsmenge“ von 2 Milligramm pro Quadratzentimeter der Haut ausgegangen. Diese Berechnungen sind für den praktischen Anwender sehr abstrakt, deshalb mal anders formuliert: Der experimentell gemessene Schutz der Haut vor UV-Strahlen wird erreicht, wenn 3 gehäufte Esslöffel eines Sonnenschutzmittels pro Anwendung eingesetzt und verteilt werden. Auch bei dieser Menge ist Nachcremen und wiederholtes Auftragen erforderlich, denn Nachcremen und wiederholtes Auftragen verlängern die Schutzwirkung nicht, sie wird so lediglich aufrechterhalten. Nach meiner Einschätzung sollte die volle Leistung von Sonnenschutzmitteln nie ausgereizt werden. Eine zeitliche Einschränkung des Aufenthaltes in der Sonne ist sinnvoll, dann kann die Haut sich auch mal von der Sonnenbelastung entspannen – im Schatten.

haut.de: Ist es nach Ihrer Auffassung erforderlich, auch schon bei geringerer Sonneneinstrahlung, also zum Beispiel im Frühjahr oder beim Besuch eines Gartenrestaurants an einem Sommerabend, Sonnenschutzmittel zu verwenden?

Prof. Heinrich: Im Frühling, nach den eher grauen und dunklen Wintermonaten, ist die Haut besonders lichtempfindlich und schutzbedürftig, denn die so genannte „Eigenschutzzeit“ der Haut wurde während der Wintermonate „runtergefahren“. Deshalb ist wichtig, schon im Frühling an Sonnenschutz zu denken. Der Eigenschutzmechanismus Nummer eins der Haut liegt in den Pigmentzellen (Melanozyten) unter der Hornhaut. Hier wird der Hautfarbstoff Melanin gebildet, der die (noch immer) begehrte Bräune hervorruft. Der Prozess der Neubildung von Pigmenten und
der Transport in höher gelegene Epithelschichten gehen jedoch nur langsam vor sich. Der Farbstoff wird erst nach etwa zwei bis vier Tagen an der Hautoberfläche sichtbar. Durch die Bräunung der Haut sollen die darunterliegenden Hautschichten und vor allem die DNA der Zellkerne geschützt werden. Helle Hauttypen besitzen insgesamt weniger Melanin als dunkle und sind daher empfindlicher gegen Sonnenlicht. Je mehr Melanin eingelagert wird, desto dunkler wird der Tönungsgrad der Haut.

Auch bei vollständig bedecktem Himmel oder im Schatten kommt noch eine relativ große Menge der UV-Strahlung am Boden an. Nicht nur gesundheitliche Überlegungen spielen beim Sonnenschutz eine zentrale Rolle, sondern auch die Erkenntnisse zur Hautalterung: die Sonne ist für etwa 90 Prozent der sichtbaren Hautalterungsspuren verantwortlich. Ob es nun das Verschnaufen in der Sonne ist, oder das unterhaltsame Treffen mit Freuden im Straßencafé oder Gartenrestaurant. Bereits ein nur kurzer Aufenthalt in der Mittagsonne kann schon zu ersten Anzeichen eines Sonnenbrandes führen.
Generell gehen die meisten Hautschädigungen und auch ein wesentlicher Teil der Hautalterung auf die Sonneneinstrahlung, genauer auf UV-A- und UV-B-Strahlen zurück – auch im Frühling, bei den noch nicht hochsommerlichen Strahlungsbedingungen, besteht ein nicht zu unterschätzendes Risiko.

DermaTronnier – Institut für experimentelle Dermatologie an der Universität Witten/Herdecke

Vielen Dank für das Gespräch!

Quelle: haut.de

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