Experten geben Rat: „Auch beim Sonnen kommt es auf die Dosis an“

Interview mit Prof. Dr. med. Christiane Bayerl

Experten geben Rat: „Auch beim Sonnen kommt es auf die Dosis an“

Prof. Dr. med. Christiane Bayerl – Klinik für Dermatologie und Allergologie an den HELIOS Dr. Horst Schmidt Kliniken – Wiesbaden, Klinikdirektorin.

haut.de: Frau Professor Bayerl, Sie engagieren sich seit Jahren in der Aufklärung über den gezielten Schutz vor den UV-Strahlen der Sonne, weil dadurch Hautkrebserkrankungen und Hautschädigungen vermieden werden können. Wie stellt sich die aktuelle Entwicklung bei den Erkrankungsraten Hautkrebs derzeit dar.

Prof. Bayerl: Hautkrebs ist nach wie vor die häufigste onkologische Erkrankung. Jährlich erkranken in Deutschland am Schwarzen Hautkrebs ca. 30.000 Personen, davon etwa 20.000 an einer invasiven Form (Eindringen in benachbarte Gewebezellen).

Die epidemiologischen Daten für die weißen Hautkrebsformen liegen für das Basaliom (Basalzellkarzinom) bei 150.000 und das Plattenepithelkarzinom bei 80.000 Erkrankten, so zeigen es die Auswertungen für 2012. (Quelle: Tagung der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft im Mai 2015 in Berlin).

Es besteht also immer noch erhöhter Handlungsbedarf in der Aufklärung und Information über die Gefahren der UV-Strahlen der Sonne, insbesondere im Bereich der Freizeitaktivitäten und Urlaubspräferenzen. Im Bereich der berufsbezogenen erhöhten UV-Exposition, wie sie zum Beispiel bei Bauarbeitern, Landvermessern, Piloten oder Gärtnern anzutreffen ist, wurden die Aufklärungsinitiativen in den letzten Jahren verstärkt. Nach meiner Einschätzung ist dies auch für den Bereich Freizeit, also alles rund um Sport, Gartenarbeit, Urlaub, Balkonien und Straßencafé, erforderlich, um möglichst viele Menschen vor Hauterkrankungen und Hautalterungsprozessen durch die Sonnenstrahlen zu bewahren.

haut.de: Zeigt das seit 2008 eingeführte Hautkrebsscreening nach Ihrer Einschätzung Erfolge?

Prof. Bayerl: Schon 2008 wurde die Früherkennung des Melanoms und des hellen Hautkrebses in die gesetzliche Regelversorgung eingeführt. Gesetzlich Versicherte ab dem 35. Lebensjahr haben alle zwei Jahre Anspruch auf eine solche Untersuchung. Nach meiner Einschätzung steigt das Interesse der Verbraucher an diesen Früherkennungsuntersuchungen. Patienten, die sich zunächst beim Allgemeinarzt vorstellen, werden zur Abklärung von Verdachtsmomenten frühzeitig an den Hautarzt weiter vermittelt. Da alle Formen des Hautkrebses, die im Frühstadium erkannt werden, eine recht hohe Chance auf Heilung haben, geht mit dem Screeningverfahren eine recht hohe Rate des Behandlungserfolgs einher. Das zeigt sich zum Beispiel bei den „dünnen“ Melanomen (Tumordicke kleiner als 1,5 Millimeter) mit guter Prognose, sie konnten vermehrt diagnostiziert werden.

haut.de: Ausgedehntes Sonnenbaden gilt als eine der Ursachen für Hautschädigungen. Welche Maßnahmen zum Sonnenschutz empfehlen Sie?

Prof. Bayerl: Am wichtigsten ist, das Sonnenschutzmittel ausreichend „dick“ aufzutragen. Der deklarierte Sonnenschutzfaktor (SPF) wird nur erreicht, wenn auch wirklich eine Menge von 2 mg/cm2 auf der Haut aufgetragen wird. Denn der SPF nimmt nicht linear sondern exponentiell mit der aufgetragenen Menge des Präparates ab. „Möglichst viel Sonnenschutz auftragen“ ist also aus dermatologischer Sicht ein Merksatz, den Verbraucher beherzigen sollten, eigentlich sogar unabhängig von Hauttypen. Die Übersichtstabellen zu Hauttypen und den sich daraus ergebenden Maximalzeiten für den Aufenthalt in der Sonnen geben zwar eine Orientierung, sind aber auch nicht gerade praxistauglich. Wer hält sich schon mit der Stoppuhr in der Sonne auf?

Ich empfehle bei Gartenarbeit von 1-2 Stunden einen LSF 30 aufzutragen und bei längeren Fahrradtouren, Bergsteigen und Wassersport immer LSF 50, bei Wasserkontakt auf jeden Fall die wasserfesten Produktvarianten.

Beim Cremen werden oft bestimmte Hautstellen wie die Ohren, der Nacken, der Haaransatz, die Handrücken und am Strand die Fußrücken und Fußknöchelregion vergessen. Dieses Vergessen wird dann häufig mit Sonnenbrand und den hautschädigenden Folgen bestraft. Die Scheitelregion oder der eventuell nur leicht behaarte Oberkopf- oder die Glatze werden nicht gerne eingecremt, dann sollte unbedingt eine Kopfbedeckung getragen werden.

Für Kinder ist der Sonnenschutz enorm wichtig. Aber nicht nur das Auftragen von Sonnenschutzmitteln ist erforderlich, auch das Meiden der Sonne in der Mittagszeit. Wirksamer Schutz vor Hautschädigungen bei Kindern ist durch textilen Lichtschutz, also das Tragen von Kleidung, möglich.

haut.de: Eine Langzeitstudie aus Schweden zu Effekten der Sonnenstrahlung erregt derzeit große Aufmerksamkeit. Ein Ergebnis dieser am Karolinska Institut vorgenommenen Studie verdeutlicht, für viele überraschend, dass der Verzicht auf Sonne das Sterberisiko in ähnlichem Maße erhöhen kann wie Rauchen. Muss nun aufgrund dieser Studie beim Sonnenschutz umgedacht werden?

Prof. Bayerl: Ich hoffe, diese Studienergebnisse und vor allem ihre etwas „spektakuläre Sensationsaufmachung“ in einigen Medien tragen nicht zur Verunsicherung von Verbrauchern hinsichtlich des notwendigen Schutzes vor Sonnenstrahlen bei. Fakt ist, dass die Sonne natürlich auch positive Auswirkungen auf den menschlichen Körper hat. Ultraviolette Strahlen des Sonnenlichts aktivieren die Atmung, regen Durchblutung, Stoffwechsel und Drüsentätigkeit an und stimulieren die Abwehrkräfte des Körpers gegen Infektionen. Blutdruck und Cholesterinspiegel werden gesenkt. Mit Hilfe der UV-B-Strahlung des Sonnenlichts wird Vitamin D gebildet.

Beim Sonnenvergnügen gilt es nach wie vor, das richtige Maß zu finden, damit die positiven Wirkungen nicht durch negative, wie Hautschädigungen oder Hautkrebserkrankungen, überschattet werden. Wer gänzlich auf Sonnenlicht verzichtet, kann damit seine Haut zwar vor den unerwünschten Folgen der UV-Strahlung für die Haut bewahren, aber dann ist es außerordentlich wichtig, für Vitamin D zu sorgen. Über die Nahrung gelingt das nur zum Teil, denn Lebertran, täglich Fisch oder Pilze treffen nicht jedermanns Geschmack oder Speiseplan.

Ein täglicher Aufenthalt von 10 bis 20 Minuten in der Sonne sorgt für den Tagesbedarf an Vitamin D, so die Fachmeinung. Das „Viertelstündchen“ reicht auch bei bewölktem Himmel für die Vitamin-D-Produktion aus, sofern Hände, Gesicht und eventuell die Unterarme unbekleidet sind. Wird im Sommer genügend Vitamin D produziert, so wird in der Haut ein Vitamin-D-Speicher angelegt, auf den der Körper in der sonnenarmen Jahreszeit von Oktober bis März zurückgreifen kann.

Die Vorstellung, statt der täglichen 10 bis 20 Minuten zur Vitamin-D-Bildung erforderlichen Sonnenzeit dann am Wochenende oder im Urlaub mit ganzen Tagen im prallen Sonnenschein auszugleichen, hat eher gesundheitsschädliche Auswirkungen. Beim Sonnenschutz kommt es auf die Dosis an. Also nicht übertrieben viel Zeit in der Sonne ohne Sonnenschutzmittel, möglichst das Sonnenbad nicht in der intensiven Mittagssonne verbringen und Sonnenbrand auf jeden Fall vermeiden.

HELIOS Dr. Horst Schmidt Kliniken Wiesbaden

Quelle: haut.de

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