Experten geben Rat: Corona-Pandemie – Ist Sonnenschutz erforderlich oder verzichtbar?

Interview mit Dr. med. Viktor Schnabel – Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie an der Universitätsmedizin Göttingen

Experten geben Rat: Corona-Pandemie – Ist Sonnenschutz erforderlich oder verzichtbar?

Die notwendigen Schutzmaßnahmen zur Vermeidung der Covid-Übertragung, die entsprechenden Ausgangs- und Kontakteinschränkungen haben etliche Modifikationen des alltäglichen Lebens mit sich gebracht. „Sonnengenuss“ hat in den letzten Wochen meist auf dem Balkon, der Terrasse oder im Garten stattgefunden und weniger bei Outdoor-Aktivitäten im Freien. Menschen sehnen sich zunehmend nach Bewegungsfreiheit, Urlaub und der Lockerung des „social-distancing“. Viele suchen deshalb auch nach „Fun in Sun“. Die diesjährigen Sonnenschutz-Aktivitäten greifen diese Sehnsucht auf und formulieren ein ABER: „ohne Sonnenbrand!“

Anlass für haut.de zum Experteninterview mit Herrn Dr. med. Viktor Schnabel, Facharzt für Dermatologie am Klinikum der Georg-August-Universität Göttingen. Herrn Dr. Schnabel arbeitet als Facharzt am zertifizierten Hautkrebszentrum der Universitätsmedizin Göttingen im onkologisch-operativen Bereich. Er beendete 2013 sein Studium an der Technischen Universität Dresden mit Aufenthalten in Großbritannien, Polen und Israel. Sein wissenschaftliches Interesse gilt den genetischen und epidemiologischen Grundlagen des maligen Melanoms, einem bösartigen Hauttumor mit weltweit steigender Inzidenz.

haut.de: Herr Dr. Schnabel, wer sich an die Corona-bedingte Aufforderung „zuhause bleiben“ weitgehend gehalten hat/hält, also der Sonne ferngeblieben ist, verfügt derjenige dadurch über eine nur mäßig gestresste Haut und kann sich nun vollends der Sonnenstrahlung hingeben?

Dr. Schnabel: Leider kann hier diesbezüglich keine Entwarnung gegeben werden. Auch wenn Sonne unter anderem sehr wichtig für unsere Psyche und den Hormonhaushalt ist, sollte immer eine gesunde Balance zwischen Nutzen und Expositionsrisiko bestehen. Für unsere Haut bedeutet dies gerade nach längerer „Sonnenabstinenz“, dass sie besonders empfindlich gegenüber UV-Strahlen ist. Erst nach einigen Tagen bildet sich eine sogenannte Lichtschwiele, eine Verdickung der Oberhaut, die einen gewissen individuellen Schutz gegen Sonnenlicht bildet. Außerdem werden unsere pigmentbildenden Zellen, die Melanozyten, aktiviert und produzieren mehr Melanin. Dieser Pigmentstoff ist für die Färbung von Haut und Haaren verantwortlich und hindert UV-Strahlen ebenfalls am Eindringen in tiefere Hautschichten.
Um diesen natürlichen Mechanismen Zeit zu geben und nicht zu „überfordern“, ist ein zusätzlicher Sonnenschutz auch bei geringer UV-Belastung besonders wichtig.

haut.de: Insbesondere junge Menschen wollen „Fun“ und genießen sonniges Wetter für unterschiedliche Aktivtäten im Freien. Für viele ist auch sonnengebräunte Haut ein Merkmal von „Attraktivität“. Welchen Rat können Sie vor dem Hintergrund ihrer fachärztlichen und klinischen Erfahrungen dazu geben?

Dr. Schnabel: Sonnengebräunte Haut spiegelt prinzipiell einen natürlichen Adaptationsmechanismus der oberen Hautschichten gegenüber UV-Strahlung dar. Dies ist allerdings bei Menschen sehr unterschiedlich stark ausgeprägt und sagt nichts über Gesundheit aus, wie dies im Alltag oft falsch suggeriert wird. Dies liegt auch daran, dass jeder Mensch sehr unterschiedlich auf UV-Strahlung reagiert. Wir kennen sechs verschiedene Hauttypen, die teilweise fließende Übergänge haben. Prinzipiell sind Personen mit Hauttyp I („Keltischer Typ“) am schlechtesten vor Sonnenlicht geschützt, da diese Personen sehr empfindliche hellhäutige Haut haben und praktisch nicht bräunen. Mit zunehmendem Hauttyp ist die natürliche Pigmentierung stärker ausgeprägt und dadurch die UV-Empfindlichkeit reduziert.
Nichtsdestotrotz stellt bei allen Hauttypen chronische Sonnenexposition einen wesentlichen Faktor für unsere Hautalterung und Hautkrebsentstehung dar, den wir mit entsprechenden Schutzmaßnahmen selbstständig beeinflussen können!
Während junge Haut gut durchblutet ist, exzellente Regenerationsfähigkeiten und eine hohe Spannkraft aufweist, wird durch stetige UV-Exposition die natürliche Alterung „beschleunigt“. Dies spiegelt sich in einem Nachlassen der Haut-Elastizität, Flüssigkeitsverlust und DNA-Schäden wider. Diese Vorgänge sind teilweise irreversibel und deshalb setzten wir in den Fachgesellschaften so stark auf Aufklärung und eine gute Prävention, insbesondere auch bei jungen Menschen.

haut.de: Ob es nun durch den persönlichen „Fun-Faktor“ oder klimabedingte Faktoren (UV-Strahlung) zu einem „heißen“ Sommer kommen wird… Sonnenbrand kann einer der schmerzlichen Effekte sein. Was raten Sie zur Vermeidung des Sonnenbrandes und zur Milderung dieser Hautschädigung?

Dr. Schnabel Ein Sonnenbrand stellt eine Reaktion der Haut auf erhöhte UV-Belastung über eine individuelle Toleranz-Schwelle dar. Durch Zellschädigungen und verschiedene freigesetzte Entzündungsstoffe entsteht die charakteristische, meist schmerzhafte Rötung bis hin zur Blasenbildung im Bereich der Lichtexposition. Diese tritt in der Regel etwas zeitverzögert nach 3-6 Stunden auf und erreicht ihr Maximum nach 12-24 Stunden, bevor die Haut unter Schuppung wieder abblasst. Als langfristige „Nebenwirkung“ von Sonnenbränden steigt – neben einer erhöhten Hautalterung – auch das individuelle Risiko für die Entstehung von weißem und schwarzem Hautkrebs.
Zur Vorbeugung rate ich Patienten einen angemessenen Umgang mit Sonne – das bedeutet konkret die Meidung der besonders intensiven Mittagssonne in den Sommermonaten, das Tragen von Sonnenbrillen mit UV-Schutz und Anwendung eines textilen Sonnenschutzes insbesondere auch bei Kindern, die eine besonders empfindliche Haut haben. Außerdem befürworten wir Dermatologen die Anwendung von Sonnenschutzprodukten mit ausreichend hohem Lichtschutzfaktor. Hierbei sollte allerdings nicht die Menge der empfohlenen drei Esslöffel/pro Eincremen unterschätzt werden, um von dem angegebenen maximalen Schutz zu profitieren.
Sollte trotz aller Vorsicht ein Sonnenbrand auftreten, helfen feuchte Umschläge oder kühlende Maßnahmen, um rasch Schmerzen und Brennen zu lindern. Topische Glukokortikoid-Präparate können außerdem entzündliche Vorgänge in den oberen Hautschichten reduzieren. In der Abheilungsphase ist auch die konsequente rückfettende Basispflege der betroffenen Areale wichtig, um der Haut wieder ausreichend Feuchtigkeit zuzuführen.

haut.de: Nicht nur, aber insbesondere junge Menschen, beschäftigen sich mit der Frage der Zukunftssicherheit, der gesunden Zukunftsgestaltung. Geben aktuelle epidemiologische Daten einen Ausblick, wie sich Hautschädigungen, ausgelöst von UV-Strahlung, und Hautkrebserkrankungen in den nächsten Jahren entwickeln könnten?

Dr. Schnabel Tatsächlich zeigen epidemiologische Daten des Robert Koch-Instituts, dass in den letzten Jahren eine kontinuierliche Zunahme von Hautkrebserkrankungen zu verzeichnen ist. Darunter stellt der schwarze Hautkrebs (Malignes Melanom) die gefährlichste Tumorentität dar und rangierte 2016 deutschlandweit in der Häufigkeit solider Tumoren bei Frauen auf Platz vier, bei Männern auf Platz fünf. Noch wesentlich häufiger wird in der Ambulanz oder Klinik die Diagnose eines weißen Hautkrebses gestellt, darunter fallen Basalzell- und Plattenepithelkarzinome. Hier stellt UV-Strahlung durch chronische Sonnenexposition ebenfalls einen sehr wichtigen Risikofaktor dar. Daten aus dem Jahr 2016 zeigen, dass ungefähr jeder fünfte der über 65-Jährigen an einem Plattenepithelkarzinom erkrankt. Da in Deutschland in den nächsten Jahren aufgrund demographischer Entwicklungen die Zahl älterer Menschen zunehmen wird, ist hier auch von einem weiteren deutlichen Anstieg o.g. Hautkrebserkrankungen auszugehen. Zudem hat sich auch das Freizeit- und Reiseverhalten in den letzten Jahren verändert und viele Menschen sind höheren UV-Mengen ausgesetzt.
Die jungen „ungeschützten“ Leute in der Sonne von heute sind also – etwas plakativ formuliert – unsere Patienten von morgen.
Um frühzeitig Veränderungen an der Haut zu erkennen, gibt es glücklicherweise ab dem Alter von 35 Jahren für gesetzlich Krankenversicherte alle zwei Jahre den Anspruch auf einen kostenlosen Hautkrebs-Check, viele Kassen übernehmen die Kosten auch eher. Dies sollten daher auch junge Patienten wahrnehmen, um einen professionellen Ansprechpartner an der Seite zu haben, damit Sommer und Sonne auch in Zukunft mit den entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen genossen werden kann.

haut.de: Herzlichen Dank für das Interview!

Quelle: haut.de

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